“Bestimmt ist es nur eine Phase!” Dieser Gedanke tröstet vielleicht auch dich, wenn dein Kind sich vielleicht gerade in der Trotzphase oder der Wackelzahnpubertät befindet. In jeder Phase entwickelt dein Kind neue Fähigkeiten und möchte immer eigenständiger werden, worüber du dich natürlich auch freuen kannst.

In diesem Beitrag möchte ich dir die 3 Autonomiephasen vorstellen, die Eltern regelmäßig an ihre Grenzen bringen. In meinen Beratungen erlebe ich fast täglich, wie erschöpfend diese Phasen für Eltern sein können, weshalb mir das Thema sehr am Herzen liegt.

 

1. Autonomiephase (bekannt als Trotzphase)

Die Trotzphase wird inzwischen im fachlichen Diskurs als Autonomiephase bezeichnet, um die Gefühle des Kindes nicht durch das Wort “Trotz” zu negativ bewerten. Die erste Autonomiephase kann bereits mit 1,5 Jahren beginnen und endet ca. mit dem 3./4. Lebensjahr. Dein Kind möchte in dieser Zeit viel selbst ausprobieren und ist frustriert, weil Vieles noch nicht so gut klappt. Auch die sprachlichen Fähigkeiten des Kindes reichen manchmal noch nicht aus, um klar Wünsche zu äußern, worüber zusätzlich Frust entsteht.

Deshalb ist der Alltag eines Kleinkindes in dieser Phase höchst herausfordernd und manchmal sehr frustrierend. Wutausbrüche treten in dieser Entwicklungsphase häufiger auf als davor. Dein Kind braucht Zeit, um den Umgang mit seinen eigenen starken Gefühlen wie Frust und Wut zu lernen. Es benötigt dringend deine Unterstützung durch deine sogenannte Coregulation, um sich wieder beruhigen zu können. Bleibe gerne bei deinem Kind und ignoriere es nicht. Sollte dein Kind schlagen zeige klar und liebevoll Grenzen und versuche das Verhalten umzulenken (z.B. ins Kissen schlagen, stampfen, die Wut rausknurren usw.).

 

2. Wackelzahnpubertät

Wenn dein Kind ca. 5 bis 7 Jahre alt ist, kommt es in die Wackelzahnpubertät. In dieser Phase möchte dein Kind sich erstmals richtig von dir abgrenzen und noch selbstständiger werden. Gefühle werden auch jetzt wieder stark erlebt und häufig in Form von Wutausbrüchen ausgedrückt.
Nicht selten beschimpfen Kinder in dieser Phase ihre Eltern und lassen ihre schlechte Laune da aus, wo sie sich geliebt und sicher fühlen. Zahlreiche Anforderungen prasseln in dieser Phase auf das Kind ein. Das Kindergartenende und der Schulstart spielen dabei eine große Rolle.
Versuche in dieser Phase, viel Verständnis für die Gefühle und Verhaltensweisen deines Kindes aufzubringen. Es braucht dich dann am meisten, wenn es sich am auffälligsten verhält.
Versuche ihm auch gerne viel Freiraum zu geben und dann zu unterstützen, wenn es nach Unterstützung verlangt und überfordert ist.

 

Nicht selten möchten Kinder in dieser Phase z.B. wieder Hilfe beim Anziehen oder bei anderen Dingen, die davor schon selbstständig vom Kind übernommen wurden. Eltern haben dann oft Sorge, dass sie es verwöhnen und denken, es würde in seiner Selbstständigkeit Rückschritte machen. Diese Sorge möchte ich euch nehmen, da das Kind sich mit seinem Verhalten nur das Bedürfnis nach Bindung stillt. Das Bindungsbedürfnis ist vor allem in Phasen, in denen viele Anpassungsleistungen erbracht werden müssen und viel Neues gelernt wird- wie in der Wackelzahnpubertät- in manchen Momenten wieder besonders ausgeprägt.
Schenke deinem Kind gerne Hilfe und Unterstützung und richte den Fokus auf das, was dein Kind bereits selbstständig kann. Ich verspreche euch: Es wird sich mit 18 selbständig anziehen können ;).

 

3. Pubertät

In der Pubertät strukturiert sich das kindliche Gehirn nochmal komplett um, weshalb von Expert*innen von einer sogenannten “Baustelle im Gehirn” gesprochen wird, die vorübergehend nicht zu betreten ist. Das ist auch der Grund, warum dein Kind sich manchmal etwas ungewohnt verhält, Dinge vergisst, mit dem Kopf in den Wolken zu sein scheint oder immer wieder höchst unzufrieden mit sich und der Welt ist.
Hinzu kommen viele körperliche Veränderungen, die für Kinder sehr gewöhnungsbedürftig und überfordernd sein können. Die hormonellen Veränderungen wirken sich zusätzlich auf die Stimmungen deines Kindes aus.
Auch wenn dein Kind sich in dieser Phase ganz besonders stark von dir abgrenzen möchte, um die eigene Identität zu entwickeln und mehr und mehr erwachsen zu werden, braucht es dich weiterhin als wichtige Bezugsperson.
Dein Teenie stößt dich vielleicht weg, möchte gleichzeitig, dass du seine Meinung ernst nimmst und du erkennst, was es gerade leistet.

 

Versuche herauszufinden, wie ihr besonders gut miteinander in Verbindung kommen könnt und wertschätze dein Kind regelmäßig.
Es lohnt sich, sich in dieser Zeit an den Interessen deines Kindes zu orientieren, damit ihr gemeinsam Spaß und Leichtigkeit erlebt.
Vielleicht möchte dein Kind nicht mehr mit dir kuscheln, ist gleichzeitig bereit, mit dir ins Kino oder laufen zu gehen. Ganz besonders wichtig ist, dass dein/e Teenager*in sich in dieser Phase vertrauensvoll an dich wenden kann, ohne von dir verurteilt zu werden. Versuche also gerne, dich selbst zu regulieren, wenn dein Kind z.B. mal zu viel getrunken, geraucht oder Drogen konsumiert hat und sprich mit ihm möglichst ruhig und vorurteilsfrei mit ihm über diese Themen. Gerne kannst du deinem Kind eine klaren Rahmen vorgeben und Vereinbarungen mit ihm finden, wann es z.B. nach Hause kommt. Diese Vereinbarungen geben deinem Kind Sicherheit und zeigen ihm, dass du großes Interesse an seinem Wohlergehen hast. Sollte dann eine Vereinbarung nicht eingehalten werden, frag gerne erst nach den Gründen, anstatt einen Vorwurf auszusprechen.

 

9 allgemeine Tipps, die dir helfen dein Kind während der Autonomiephase zu begleiten:

Freiräume: Gib deinem Kind genügend Freiräume, um Erfahrungen machen zu können und lass dein Kind gerne ausprobieren und eigene Fehler machen.
Grenzen: Zeige deinem Kind klare und sinnvolle Grenzen, um einen Rahmen vorzugeben.
Alternativen: Überlege dir bei Verboten eine Alternative oder einen Kompromiss für dein Kind
Zeit und Nähe: Warte bis sich dein Kind wieder beruhigt hat und bleibe in seiner Nähe.
Keine Strafen: Wenn du dein Kind mit seinem Verhalten ablehnst, oder es dafür bestrafst, dann werden Trotzreaktionen in Zukunft eher zu- als abnehmen.
Keine Belohnung: Keine Belohnung indem dein Kind das, was es wollte, dann doch bekommt
Gespräche: Nachdem sich dein Kind beruhigt hat, kannst du mit ihm über seine Gefühle sprechen, da es sich ernst genommen fühlen darf und es noch lernen darf seine Gefühle auszudrücken.
Deine innere Haltung: Versuche die Wut deine Kindes anzunehmen, anstatt abzulehnen.
Coregulation: Begleite dein Kind durch seine Wut und seinen Frust und sei einfach liebevoll präsent und da, anstatt viel zu reden. Wenn es deinem Kind hilft, benenne seine Gefühle und zeige durch deine Mimik und Gestik Verständnis und Fürsorge.

Wie hast du die Entwicklungsphasen zusammen mit deinem Kind erlebt?
Schreib mir gerne in den Kommentaren!

 

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