Dein Kind ist wütend, wirft sich auf den Boden, schreit laut und kann sich zunächst nicht mehr beruhigen. Kennst du das? Viele Eltern durften in ihrer Kindheit keine Wut und Aggression zeigen. Sie wurden dafür verurteilt und mit Liebesentzug bestraft, wenn sie nicht sofort wieder „ruhig“/ „brav“ waren:
- „Geh auf dein Zimmer und komm, wenn du wieder lieb bist!“
- „Du brauchst dich gar nicht aufführen. So schlimm ist das jetzt auch nicht!“
- „Hör sofort auf! Sonst schreie ich auch so laut wie du!“
Sollten dir diese Sätze aus deiner Kindheit bekannt vorkommen, brauchst du dich nicht wundern, wenn es dir heute schwerfällt, dein Kind in seiner Wut zu begleiten. Wundern brauchst du dich auch nicht, dass du selbst immer wütender wirst, sobald dein Kind Wut zeigt. Es ist also wichtig, dir bewusst zu machen, dass es eine riesige Herausforderung ist, dich in dein Kind einfühlen zu können.
Coregulation für dein Kind
Auch wenn es dir schwerfällt, braucht dein Kind unbedingt deine Hilfe, um sich beruhigen zu können. Es ist selbst noch nicht in der Lage, seine Gefühle zu regulieren. Du bist die Person, die sozusagen die Coregulation für dein Kind übernehmen darf. Du bist sozusagen der „Ersatzkortex“, da der präfrontale Kortex deines Kindes noch nicht ausgereift ist. Dieser ist nämlich zuständig dafür, starke Gefühle wie Frust und Wut zu regulieren.
Beruhigen kann sich dein Kind erst dann, wenn es sich wirklich ernst genommen und angenommen von dir fühlt. Deine innere Haltung „Ich bin bereit, dich ernst zu nehmen und dich mit deinen Gefühlen anzunehmen“ ist die Voraussetzung dafür, dass dein Kind von dir coreguliert werden kann. Die Technik des Spiegelns von Gefühlen ist dabei eine Methode, die sehr hilfreich ist.
So geht’s, damit dir die Technik wirklich hilft:
- Begib dich auf die Augenhöhe deines Kindes.
- Berühre dein Kind und suche Nähe (sofern es dich nicht wegstößt), ansonsten bleibst du in der Nähe, zumindest in Sichtweite oder sagst genau, wo du jetzt hingehst und zu finden bist.
- Suche liebevollen Blickkontakt.
- Sprich nur ganz wenig und sei einfach da! Sätze wie „Ich weiß!“ / „Ganz wütend bist du!“/ „Ich sehe dich!“ / „Ich bin da!“ reichen völlig aus.
- Spiegle das ECHTE Gefühl deines Kindes verbal und körperlich:
- Stimme: Wenn du also in ganz sanftem Ton spiegelst „Du bist wütend!“, fühlt sich dein Kind in keinster Weise ernst genommen. Sag also mit leicht wütender Stimme: „Du ärgerst dich richtig!“ oder „Du bist total wütend gerade!“
- Mimik: Passe deine Mimik an. Wenn du lächelst oder genervt schaust, wird dein Kind sich nicht ernst genommen fühlen. In deinem Gesicht muss die pure Einfühlung zu sehen sein.
- Gestik: Drücke auch durch deine Gestik ganz klar aus, dass du weißt, wie Wut sich anfühlt. Schlage z.B. leicht mit der Hand auf den Boden und sage dazu: „Mensch, so wütend bist du. Komm, wir stampfen mal zusammen fest auf den Boden, damit die Wut rauskommt.“
- Halte aus, dass dein Kind die Wut auslebt. Gesteh deinem Kind die Zeit zu, seine Gefühle auszudrücken. Wenn nötig, geht in einen anderen Raum, um andere Menschen zu schützen. Es geht nicht darum, dass dein Kind schnellst möglich kein unangenehmes Gefühl mehr hat. Es geht darum, dass dein Kind sein Gefühl rauslassen darf. Nur so wird es gestärkt aus der Situation hervorgehen und immer mehr Frustrationstoleranz dazulernen.
Viele Eltern wundern sich, warum sich ihr Kind nicht beruhigt, obwohl sie ihm vermeintlich Empathie entgegen bringen und es in ihrer Wut begleiten. Erst wenn dein Kind sich gesehen und verstanden von dir FÜHLT, kann es sich wirklich beruhigen. Übe also unbedingt auch vor dem Spiegel, wie du dabei aussiehst, wenn du Wut versuchst zu spiegeln. Würdest du dir das abnehmen oder kannst du dich dabei selbst nicht ernst nehmen?
Umgang mit der eigenen Wut
Besonders wichtig ist sind diese Tipps für dich, wenn du dir selbst nie erlaubst, Wut und Aggression nach außen zu tragen. Dein Kind ist dann in solchen Situationen dein Spiegel, damit du endlich lernst, deine Aggression adäquat auszudrücken (in Form von Sport, Boxen, Bewegung, im Wald laut schreien etc.). Nutze die Chance, damit du deine aufgestaute Wut aus der Kindheit endlich „umarmen“ und „ausdrücken“ lernst
Ich hoffe sehr, dass dir der Artikel dabei hilft, mit Wutausbrüchen deines Kindes im Alltag umzugehen. Hab Vertrauen! Umso häufiger du dein Kind in diesen Situationen auf diese Art und Weise begleitest, umso mehr wird dein Kind lernen, sich selbst beruhigen zu können. Viel Freude dabei, durch dein Kind immer mehr zu dir selbst zu finden!
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Hallo Martina,
vielen Dank für den tollen Artikel. Ich habe eine Frage dazu. Bei der Technik des Spiegelns wird beschrieben, dass man eben die Wut verbal und körperlich spiegelt.
Ich habe es bisher immer so gemacht (habe ein 1,5 jähriges Kleinkind, bisher also zum Glück noch nicht so viele Wutanfälle und sehr großen Respekt vor der kommenden Autonomiephase), dass ich mich auch auf Augenhöhe neben sie gesetzt habe aber selbst versucht habe sehr ruhig zu bleiben. Der Satz „ich bin da“ gefällt mir dann ganz gut und den sag ich ihr. Jetzt würde es aber zu diesem Satz doch irgendwie gar nicht passen, wenn ich wütend schaue und die Wut spiegele?
Ist selbst ruhig bleiben und einfach nur beim Kind da sein auch eine gute Möglichkeit Wutanfällen zu begegnen oder wäre es vermutlich besser wenn ich wirklich das Spiegeln anwende und statt selbst ganz ruhig zu bleiben lieber sage „du bist ganz wütend“?
Ich dachte immer, dass ein Kind eher ruhiger wird wenn das gegenüber das ruhige zeigt und nicht wenn ich ebenfalls wütend bin bzw. so tue als wäre ich es?
Vielen Dank vorab für die Rückmeldung.
Viele Grüße
Diana
Liebe Diana, herzlichen Dank für deine Kommentar und deine Frage! Dein Verhalten klingt schon ganz wunderbar und scheint deinem Kind zu helfen. Wichtig ist, dass dein Kind sich in diesen Momenten mit seinem Gefühl gesehen fühlt und manchmal hilft deshalb das spiegeln. Als Einfühlübung habe ich immer ein Beispiel: z.B. Du bist total sauer auf eine Person und rufst deine Freundin sauer an, um ihr davon zu berichten. Da hilft es dir doch auch, wenn sie z.B. sagt: „Boah, natürlich bist du da wütend. Da wäre ich an deiner Stelle auch verärgert.“
Das Spiegeln heißt also nicht, dass du auch sauer wirst, sondern, dass du in deinem Gesichtsausdruck zeigst, dass du verstehen kannst, was Wut und Ärger ist. Du könntest dann z.B. sagen: „Ganz wütend bist du gerade, weil du dir so sehr xy gewünscht hättest. Ich bin da!“ Ich hoffe, dass dir meine Erklärung hilft. Alles Liebe, Martina