Wenn in einer Familie ein Elternteil unter depressiven Stimmungen oder häufiger schlechter Laune leidet, stellst du dir bestimmt die Frage, wie du dich selbst oder deine Kinder schützen kannst.
In meinem Beruf als Lehrerin habe ich häufig gesehen, wie sehr Kinder unter der negativen Stimmung zu Hause leiden, und nun erlebe ich in meiner Beratungstätigkeit, wie herausfordernd es für beide Elternteile ist, solche Durststrecken durchzustehen.
Deshalb möchte ich dir in diesem Artikel praktische Tipps an die Hand geben, wie du deinem/deiner Partner*in begegnen kannst und wie du dich selbst und dein Kind schützen kannst.
1 Authentischer Umgang mit Gefühlen
Kinder spüren meist sofort, wenn sich ein Elternteil anders verhält oder es ihm gerade nicht gut geht. Lass deswegen dein Kind mit seiner Unsicherheit nicht allein und erkläre ihm, wie ihr euch als Eltern gerade fühlt. Wichtig ist dabei nur, dem Kind die Verantwortung von den Schultern zu nehmen. Das kann z.B. so aussehen:
“Gerade ist Papa oft frustriert. Er braucht wieder mehr Freude in seinem Beruf und kümmert sich darum, dass er wieder zufriedener wird. Papa und ich schaffen das.”
Ansonsten übernimmt das Kind automatisch die Verantwortung für die elterlichen Gefühle.
2 Sicherheit geben
Natürlich ist es für Kinder erschreckend und verunsichernd, wenn ein Elternteil sich auf einmal ganz anders verhält oder nicht mehr so herzlich auf das Kind reagieren kann, weil das Elternteil stark mit sich selbst beschäftigt ist. Schnell passiert es, dass Kinder denken, sie hätten etwas falsch gemacht. Du kannst z.B. erklären, dass Papa oder Mama sich aufgrund einer Krankheit so verhält und deswegen ganz müde und erschöpft ist und viel Ruhe und Rückzug braucht.
3 Weitere Bezugspersonen miteinbeziehen
Kinder, die mit depressiven Eltern aufwachsen, brauchen unbedingt weitere Bezugspersonen (Paten oder Großeltern) und ein weiteres familiäres Umfeld, das von Leichtigkeit und Lebensfreude geprägt ist. So können Kinder dieses Bedürfnis in einem anderen Umfeld stillen und kommen gestärkt wieder nach Hause.
4 Unterstützung von außen
Da ein depressiver Elternteil kaum belastbar ist, kommt es häufig beim gesunden Elternteil zu einer extremen Überforderung und Überlastung. Die gesamte Verantwortung liegt beim gesunden Elternteil, worüber viel “Mental Load” entsteht. Mütter berichten z.B. ganz häufig davon, dass sie alleinerziehend vermutlich weniger Stress hätten, da sie dann nicht ständig am Kompensieren wären. Wichtig ist dann, sich im Hilfesystem Unterstützung zu holen. Wellcome bietet z.B. eine praktische Hilfe nach der Geburt an und in deinem zuständigen Sozialbürgerhaus kannst du anrufen und dich beraten lassen, welche Möglichkeiten es für euch gibt (z.B. Haushaltshilfe etc.).
5 Destruktive Konflikte vor Kindern vermeiden
Versucht auf lautes Schreien, gegenseitige Vorwürfe und Angriffe zu verzichten und versucht z.B. wöchentlich ein Gesprächs-Ritual einzuführen. Zu diesem Zeitpunkt könnt ihr dann Dinge besprechen, die euch sehr beschäftigen oder stören und gemeinsam und in Ruhe nach Lösungen suchen. Impulsive Reaktionen führen oft dazu, dass verletzende Worte über die Lippen kommen.
6 Abgrenzung
Versuche unbedingt, dich stark von den Emotionen deines Partners / deiner Partnerin abzugrenzen. Diese Visualisierungen helfen dir dabei:
Stell dir vor, wie du die Emotionen wieder zum Partner / zur Partnerin zurückschiebst.
Packe dich gedanklich in eine beschützende Kuscheldecke, die dir Schutz und Sicherheit schenkt.
Stelle gedanklich Koffer mit Steinen wieder zurück zu deinem Partner / deiner Partnerin.
Wichtig ist ebenfalls, oft das Haus zu verlassen und dir gemeinsam mit den Kindern wichtige Bedürfnisse zu stillen (Freundschaften pflegen, Gemeinschaft, draußen spielen und Spaß haben usw.).
7 Hilfe annehmen
Wenn dein(e) Partner*in nicht aus der depressiven Stimmung herauskommt, wäre es enorm wichtig, dass er / sie sich professionelle Hilfe holt. Du bist nicht in der Lage, ihm / ihr zu helfen. Versuche deshalb unbedingt zu verhindern, dass du dich in eine sogenannte Coabhängigkeit begibst und ständig versuchst, alles zu kompensieren.
Wenn dein(e) Partner*in nicht bereit ist, sich Hilfe zu holen, suche gerne selbst nach Unterstützung in einer Beratung. Gerne begleite und stärke ich dich z.B. in einer Einzelberatung oder durch meinen Bindungskurs. Hier bekommst du alle Infos zum Kurs:
>>Hier geht’s zu mehr Infos und der Anmeldung
Abschließend möchte ich dir sagen, wie wichtig du für dein Kind bist. Kinder brauchen mindestens eine Bezugsperson, die ihnen Halt, Verlässlichkeit und Sicherheit vermittelt, und du darfst sehr stolz auf dich sein, wie du alles meisterst. Es ist ganz bestimmt nicht leicht für dich und du hast es verdient, unterstützt zu werden.
Wie geht es dir mit der Situation und wie versuchst du dich über Wasser zu halten? Ich freue mich auf den Austausch mit euch in den Kommentaren!
Ich fühle mich zu 100% mit dem was du schreibst identifiziert, liebe Martina.
Leider wird viel zu selten darüber gesprochen und geschrieben. Danke für deine Zeilen, sie haben mir sehr gut getan.
Nach einigen Jahren des Kampfes für die Ehe und des „nicht-einsehen-wollens“, habe ich mich jedoch schliesslich für die Trennung von meinem Mann und Vater meiner beiden Kinder (noch im Kleinkindalter) entschieden. Er leidet unter sehr starken Stimmungsschwankungen und unter Jähzorn der sich mit der Zeit verstärkt hat und irgendwann für mich unerträglich wurde, da ich in ständiger Angst war versehentlich einen Trigger für seine Explosionen zu liefern mit dem was ich im Alltag sagte oder tat. Das was heute ok war, war morgen plötzlich nicht mehr ok. Es fühlte sich unberechenbar für mich an und irgendwann auch beängstigend neben ihm. Vor allem war auch das schlechte Gewissen gegenüber den Kindern für mich unterträglich, weil sie ihren Vater so erleben mussten.
Seit dem wir getrennt sind und ich nicht mehr seine Frau bin, bin keine Zielscheibe mehr für seinen Jähzorn. Wir haben einen guten, respektvollen Umgang miteinander, die Kinder können die Zeit mit ihrem Papa geniessen, und er sichtlich auch.
Ich habe mir tatsächlich recht früh Hilfe geholt als die Situation in meinen Augen ausartete. Ich war im nächstgelegenen Frauenhaus und habe mich von dem Expertenteam öfter beraten lassen – das kann ich nur jedem/r empfehlen! Sie sind in der Regel sehr erfahren und haben mich super orientiert. Ich habe mir die Hilfe einer Psychologin geholt um mir auch dort Orientierung zu holen, auch das war ein Augenöffner für mich und ich habe viel in diesem Prozess für mich (und für die Kinder) gelernt. Dann habe ich mir auch die Hilfe meiner Mutter geholt, die mir mit Rat und Tat, auch im Alltag, zur Seite stand. Sie alle haben mir mit grosser Geduld den Blick für die Tatsachen geöffnet, so dass ich den Weg raus aus dieser Sackgasse fand.
Uns geht es nun allen besser so und ich bin mein schlechtes Gewissen den Kindern gegenüber los, sie müssen diese ständigen Stimmungsschwankunen und Wutausbrüche ihres Vaters nicht mehr erleben und können eine gesunde, stabile Bindung zu ihm aufbauen. Ihr Vater geniesst diese Exklusivzeit mit ihnen sehr, er kann sie wertschätzen und ist dankbar für die Zeit die er mit ihnen verbringt.
Ich bin froh und unendlich erleichtert über diese positive Wendung, vor allem für die Kinder.
Für mich ist es Alleinerziehend tatsächlich 1000% einfacher, ich kann das nur bestätigen.
Liebe Albetta,
ich bin dir sehr dankbar, dass du so offen deine Erfahrungen hier teilst. Für euch war es genau der Weg, den ihr gebraucht habt. In manchen Familien ist eine Trennung der heilsamere Weg. Du darfst so stolz auf dich sein, was du für dich und deine Familie getan hast. Alles Liebe!
Liebe Albetta,
dein Text mit der Beschreibung eurer Situation hätte so zu fast 100% von mir sein können, außer dass wir 4 Kinder haben (10,8,5 u 3). Ich habe mir nach einem seiner letzten Ausbrüche Hilfe bei einer Beratungsstelle geholt, zu der er dann nach einer ganzen Weile des Protests auch gegangen ist, aber nicht darüber spricht. Unser nächster Termin ist nun zusammen, aber seit gestern bin ich so klar wie nie, dass eine Trennug her muss. Leider sind die Folgetermine immer erst ein paar Wochen später und ich fühle, dass ich für mich dringend nich eher Hilfe benötige um Sicherheit zu haben was folgen wird.
Kann man sich irgendwie mit dir austauschen?
Martina, du hast mir mit diesem Artikel so viel Klarheit gegeben. Ist stecke bis zum Hals in einer Co-Abhängigkeit Ich bin am Ende meiner Kräfte seine schlechte Laune ständig selbst und für die Kinder abzufangen, aber es tut ihnen so gut und ich möchte weiter ihre Leitwölfin sein. Beim Frauenhaus bekommt man schnell Hilfe?
Verzweifelte Grüße, Linda
Liebe Linda,
ich danke dir für deine Offenheit! Eure Situation ist sicher sehr anstrengend, herausfordernd und zermürbend, oder?
Der Schutz deiner Kinder ist wichtig und dies setzt du um. Es raubt dir die Kraft, wie du schreibst. Das kann ich nachvollziehen.
Bedauerlicherweise können Konkrete und individuelle Fragen in Kommentaren nicht umfangreich und individuell genug beantwortet werden. Dafür fehlen mir für eine professionelle Beratung ausreichend Hintergründe. Gerne unterstütze ich dich in einer persönlichen Beratung. Diese kannst du hier buchen https://www.etermin.net/mein-erziehungsratgeber
Wie die Lage in einem Frauenhaus in deiner Nähe ist, kann ich nicht beurteilen.
Alles Liebe für dich und deine Kinder!
Woran erkennt man, ob der Partner depressiv ist? Und vor allem, was tun, wenn er es sich nicht eingestehen will? Denkt, sein Verhalten ist „normal“ und alle anderen sind falsch? Er ist mega pessimistisch und schlecht gelaunt. Nur am motzen und meckern. Mit nix zufrieden….
Liebe Dani,
ich danke dir für deine Offenheit. Das ist sicher sehr anstrengend für dich, wenn dein Partner viel schlechte Laune hat und somit keine Leichtigkeit und Harmonie aufkommen möchte.
Gerne unterstütze ich dich oder euch als Paar in einer Beratung. Diese kannst du hier buchen. https://www.etermin.net/mein-erziehungsratgeber
Ich wünsche dir viel Geduld und Zuversicht. Alles Liebe!
Genauso erlebe ich meinen Mann auch. Ich habe nicht den Eindruck, dass er depressiv ist (er wird eher ärgerlich, wenn ich ihn frage, ob er sich traurig fühlt). Er ist einfach nur genau so wie Du Deinen Mann beschreibst, fast täglich. Er hat keine Probleme, er macht nie etwas falsch und alle anderen funktionieren einfach nicht wie er es gern hätte. Ausgelassenheit bringt ihn des Öfteren auf die Palme, womit er jede Stimmung killt und die Kinder – und auch mich verunsichert. Ich bin auch nur am Relativieren zwischen ihm und den Kindern. Mittlerweile mecker ich mit ihm rum, wenn ich mitbekommen habe, dass er an den Kindern rumnörgelt – was seltener wird, weil er es nun leiser und hinter verschlossenen Türen macht, so dass ich teils schon dahinter stehe um aufzupassen, dass er nicht zu weit geht, womit ich mit einfach blöd vorkomme. Es stresst einfach nur noch, weil die Kinder der Blitzableiter fit jeden Mist sind. Statt die Familie zu schützen, lässt er seinen Ärger über die Außenwelt an der Familie aus. Ich weiß nicht, ob wir als Familie noch zu retten sind. Auf der Suche danach hab ich jedenfalls diese Seite gefunden, und werde mir die Ratschläge auch wenn er nicht depressiv sein sollte zu Herzen nehmen.
Liebe Dani,
ich danke dir für deine Offenheit! Das ist sicher sehr schwer für dich auszuhalten. Jeden Tag bist du das Schutzschild für deine Kinder und die Harmonie und wahrscheinlich auch die Leichtigkeit, die du dir wünschst, ist damit verloren. Es scheint ausweglos zu sein, oder? Ich bedaure es sehr, dass sich das so anfühlt. Gerne unterstütze ich dich oder dich und deinen Mann in einer persönlichen Beratung. Schaue gerne auf meiner Webpage vorbei. https://mein-erziehungsratgeber.de/ Ich freue mich, wenn ich dich begleiten darf. Alles Liebe!
Danke für diesen tollen Beitrag!
Liebe Diana,
das freut mich, dass dir der Blogartikel gut gefällt. Vielen Dank für deine Wertschätzung.
Alles Liebe!
Ich finde mich ebenfalls in deinen Zeilen wieder, liebe Martina! Mein Mann macht seine Stimmung allerdings allein nur von unserem Kind abhängig. Ist unsere Tochter artig bzw. gut gelaunt, legt er uns die Welt zu Füßen. Macht sie allerdings Dinge, die ihm nicht gefallen, hat Wutausbrüche, benimmt sich nicht o.ä. ist die Stimmung zu Hause kaum zum aushalten. Er sagt ihr auch dass ihr Verhalten der Grund für seine Stimmung ist. Es ist psychisch fast nicht mehr zum aushalten für mich, sodass ich schon mehrmals über eine Trennung nachgedacht hab.
Liebe Ela,
ich danke dir für deine Offenheit! Das klingt recht anstrengend, herausfordernd und auch hilflos! Du möchtest dein Kind schützen. Das ist auch gut so! Sehr gerne unterstütze ich dich in einer persönlichen Beratung. Diese kannst du hier buchen https://www.etermin.net/mein-erziehungsratgeber
Alles Liebe und viel Kraft!
Hallo Martina, Ersteinmal danke ich dir von Herzen für die wöchentlichen Impulse ❤️ Die sind so unglaublich wertvoll! Auch dein Bindungskurs war wirklich ganz toll ❤️ Und ich fühle mich so verstanden und gesehen.
Bei mir war/ ist es tatsächlich so, dass ich in fie Co-Abhängigkeit gerutscht bin und versuchte habe alles alleine zu kompensieren. Das hat dazu geführt, dass ich jetzt im Burnout gelandet bin. Durch meine Anwesenheit selbst merke ich wie das Ganze auf den Kindern lastet (fast 5 und 3). Das tut mir so weh. Mein Mann rationalisiert alle Probleme weg und ich wäre eine tolle Mutter und die Kinder würden mich lieben. Das sehe ich anders und sehe das auch aufgrund der Verhaltensweisen der Kinder. In Kürze beginne icu eine Psychotherapie und im November fahre ich mit beiden Kindern zur Kur. Meine Frage ist jetzt: was kann ich jetzt noch tun damit meine Kinder keine Schäden wie ich aus meine Kindheit davon tragen? Was kann ich sonst noch tun?
Liebe Natalie,
ich danke dir sehr für deine Wertschätzung! Es freut mich riesig, dass dir der Bindungskurs so gefällt.
Schau mal, was du schon alles geschafft hast. Du reflektierst dich und siehst genau hin. Du kümmerst dich um dich, und dadurch auch um deine Kinder. Ein Schritt nach dem anderen. Unter Umständen überforderst du dich sonst. Du tust jeden Tag dein Bestmöglichstes. Sage dir das gerne immer wieder.
Alles Liebe für dich und deine Familie!
Liebe Martina,
Was ist, wenn ich dieser Elternteil bin, der depressiv ist und oben drauf noch alleinerziehend? Oma und Opa gibt es in meinem Umfeld nicht wirklich, Freunde habe ich kaum.. momentan habe ich wieder eine schlimme Phase, bin nur schlecht gelaunt und maulig ich kann kaum Freude empfinden oder spaß mit meinem Kind haben. Es macht mich fertig, dass ich so blöd zu ihm bin und es da leider auch keinen Lichtblick zu geben scheint. Ich möchte das beste für mein Kind, aber momentan will ich einfach nur meine Ruhe haben. Geht mit einem 2 1/2 jährigen aber nicht. Bin wirklich sehr verzweifelt und weiß einfach nicht mehr weiter
Liebe Sandra,
es berührt mich sehr, wie offen du dies hier teilst. Ich danke dir sehr dafür!
Was für eine Herausforderung hast du täglich zu meistern! Du benötigst Ruhe, Rückzug, Zeit für dich, jedoch ist dein Kind auch da und braucht deine Unterstützung.
Gerne unterstütze ich dich in einer persönlichen Beratung, die du hier buchen kannst https://www.etermin.net/mein-erziehungsratgeber.
Hast du schon eine psychologische Betreuung an deiner Seite? Dies kann dich sicher zusätzlich in deinem Alltag unterstützen. Spreche auch gerne mit deinem Hausarzt über eine Entlastung durch z.B. Haushaltshilfe oder Betreuung mit dem Kind.
Viel Kraft und alles Liebe!